Wie sichtbar wagst du zu sein?
„Sichtbarkeit“ ist in unseren Zeiten, wohl mehr denn je, ein Thema. Heutzutage kann sich jeder sichtbar machen. Schnell mal ein Video aufgenommen, eine Kurzinfo auf Facebook gepostet, einen Kommentar zu einem anderen Post in den sozialen Medien abgegeben. Jeder kann sich sichtbar machen. Jede/r, der es will und manchmal auch die, die es nicht wollen, kann gesehen werden – und zwar überall auf der Welt.
Viele nutzen diese Möglichkeit. Sie präsentieren sich, ihr Angebot, ihren Dienst, ihr Wissen….auf diesen Plattformen, die jedem Menschen zur Verfügung stehen.
Aber was ist mit denen, die sich nicht trauen?
Hier eine Nachricht von einer meiner Klientinnen:
Sichtbar sein…. Ja auch hier habe ich ordentlich so meine Probleme. Meine Angst sichtbar zu sein/zu werden bezieht sich nicht nur auf das Thema Webinare und Seminare geben. Es betrifft auch ganz viel zum Beispiel Skype. Oder auch persönliche Klienten Termine. Aber es geht noch weiter. Ich habe auch Schwierigkeiten, mich am Telefon sichtbar zu machen. Ich vermeide es wo ich nur kann, vor allem mit Klienten, zu telefonieren. Selbst beim öffentlichen Schreiben von Kommentaren, wie bei Facebook habe ich ein Thema mit dem sichtbar werden. Ich könnte ja eventuell „dummes Zeug“ von mir geben und mich lächerlich machen… Auch mein Business öffentlich zu machen, geht, bis auf eine Webseite, gar nicht….
Findest du dich da wieder? Oder zumindest in einigen Aspekten? Ich wundere mich oft, warum es mit den Kommentaren so dröge zugeht auf Facebook.
Was ist das, was steckt dahinter, dass es so schwierig macht, sich zu zeigen?
Dieses Thema „sich zeigen“, gesehen werden, beginnt nicht erst im erwachsenen Alter und im Hinblick auf die öffentlichen Ebene. Es bahnt sich natürlich schon weitaus zuvor an.
Wie durftest du dich als kleines Mädchen zeigen? Durftest du auch Seiten an den Tag legen, die nicht von den Eltern als angenehm empfunden wurden, zum Beispiel zornige oder wütende? Durftest du eitel sein und war es in Ordnung für sie, wenn du dich in den Mittelpunkt gestellt hast? Oder waren das genau die Aspekte, die für deine Eltern oder einen Elternteil schwer zu ertragen waren?
Hast du erfahren, dass man dich dann „gern hat“ und akzeptiert, wenn du dich nach einem bestimmten Muster verhalten hast? Zum Beispiel ein „nettes“ Kind warst? Ohne Ecken und Kanten?
Ich etwa habe gemerkt, dass ich punkten konnte, wenn ich fröhlich war und lustige Sprüche von mir gab.
Kinder beobachten die Bedürfnisse der Eltern sehr genau und passen sich entsprechend an, verständlicherweise weil sie den meisten Gewinn daraus erzielen.
Kurz gesagt, wenn als Kind verschiedenen Seiten bestimmte Verhaltensweisen von dir, von wem auch immer, Eltern, Lehrer, Geschwister, nicht unbedingt gutgeheißen wurden, dann ist klar, dass dies dazu führen kann, dass es später als Erwachsener Schwierigkeiten damit hat, sich zu „präsentieren“.
Denn dazu gehört die Überzeugung: Ich bin in Ordnung so wie ich bin.
Hinter dieser Angst davor, sichtbar zu sein steckt so viel Angst vor Kritik. Leute könnten über mich urteilen, mich dumm finden, sich über mich lustig machen, mich vergleichen mit anderen, die viel besser sind als ich, ich könnte mich fühlen wie ein Nichts…
Da kann man den sozialen Medien richtig dankbar sein, dass sie diese Aspekte unseres Nichtselbstwertes hochkitzeln, so dass wir gezwungen sind, uns mit ihnen zu befassen.
Denn auch wenn jemand sich nicht für die sozialen Medien interessiert, so braucht es doch ein sicheres und überzeugendes Auftreten, um beispielweise eine Gehaltserhöhung zu verlangen oder ein Referat zu halten….letztlich überhaupt, um für seine Belange einzutreten und sein Leben selbstbestimmt zu führen.
Jede/r von uns ist einzigartig. Leider haben wir das in unserer Jugend oft nicht gelernt. Es hat uns keiner zu unserer Einzigartigkeit geführt. Wir haben eher erfahren, wie wir nicht sein sollen.
Das ist schade. Denn viele Frauen haben Großartiges anzubieten, möchten sich sichtbar machen, um das zu geben, was sie geben können, möchten gehört werden und resignieren irgendwann, weil sie sich nicht trauen über ihren Schatten zu springen und ihre größten Schätze öffentlich zu machen.
Aber eines ist klar: Änderung ist jederzeit und in jedem Alter möglich.
Deine Gabriele S. Bodmer
